Sanierung und Insolvenz - AG Hamburg zum neuen StaRUG

SANIERUNG UND INSOLVENZ – AG HAMBURG ZUM NEUEN STARUG

Das Amtsgericht Hamburg hat bereits im vergangenen Jahr zum neuen StaRUG entschieden. So hat das Gericht mit Beschluss vom 12.04.2021 – 61 A RES 1/21 – den ihm vorgelegten Restrukturierungsplan auf Antrag des Schuldners bestätigt. Dort war im Rahmen der Planabstimmung zwar in der zweiten von drei Gruppen die erforderliche Dreiviertelmehrheit nicht erreicht worden. Das Gericht sah jedoch die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 StaRUG als gegeben an. Dieser sieht vor, dass die Zustimmung in einer Plangruppe, in der die nach § 25 Abs. 1 StaRUG erforderliche Mehrheit nicht erreicht wird, trotz fehlender Dreiviertelmehrheit als erteilt gilt, wenn die Mitglieder dieser Gruppe durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden (Nr. 1), die Mitglieder dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf Grundlage des Plans den Planbetroffenen zufließen soll (Nr. 2) und die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat (Nr. 3).

Das AG Hamburg setzte sich hierbei insbesondere mit dem Merkmal des „Nichtschlechterstellens“ auseinander. Das Gericht teilt hierzu die Auffassung, wonach als Vergleichsmaßstab für die Nichtschlechterstellung nicht automatisch ein Insolvenzverfahren mit einem Liquidationsszenario heranzuziehen ziehen, sondern vielmehr grundsätzlich auf das nächstbeste Alternativszenario abzustellen sei. Sofern sich aber kein konkretes und verlässliches Alternativszenario unter Ansatz von Fortführungswerten darstellen lasse, sei die Insolvenz des Schuldners Vergleichsmaßstab.

In unserer auf das Insolvenz- und Sanierungsrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei sämtlichen Fragestellungen des Insolvenzrechts kompetent zur Verfügung.

 

Rechtsanwalt Manuel Ast


Insolvenzanfechtungsrecht - BGH zur Rückgewährklage eines Insolvenzverwalters nach Insolvenzanfechtung: Zahlungsunfähigkeit als Indiz für den Benachteiligungsvorsatz

Insolvenzanfechtungsrecht – BGH zur Rückgewährklage eines Insolvenzverwalters nach Insolvenzanfechtung: Zahlungsunfähigkeit als Indiz für den Benachteiligungsvorsatz

Das Urteil des BGH vom 24.02.2022 – IX ZR 250/20 enthält neuerliche Ausführungen zu den Anforderungen an den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO sowie zu den Tatbestandsmerkmalen der Anfechtung nach den §§ 134, 135 InsO.

Der Leitsatz zu § 133 Abs. 1 S. 1 InsO lautet wie folgt:

Die Zahlungsunfähigkeit stellt nur dann ein Indiz für den Benachteiligungsvorsatz dar, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat. Hält der Schuldner eine Forderung, welche die Zahlungsunfähigkeit begründet, aus Rechtsgründen für nicht durchsetzbar oder nicht fällig, steht dies einer Kenntnis entgegen, sofern bei einer Gesamtwürdigung der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit nicht zwingend nahelegt.

Hintergrund

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der K-GmbH. Das Stammkapital der Schuldnerin betrug € 25.000,00. Die Beklagte war Gesellschafterin der Schuldnerin und ursprünglich in Höhe von € 24.250,00 am Stammkapital der Schuldnerin beteiligt.

Am 23. Juli 2015 schlossen die Beklagte und die Schuldnerin als Lizenznehmerin einen Lizenzvertrag, wonach die Beklagte für bestimmte Patente, Marken und Know-How eine ausschließliche Lizenz erteilte. Die Schuldnerin versprach eine jährliche Lizenzgebühr in Höhe von € 180.000,00, von der zunächst € 15.000,00 zur Auszahlung kommen sollten. Zudem bestimmte der Vertrag, das in 2015 die anteilige Lizenzgebühr in Höhe von € 15.000,00 spätestens zum 31.12.2015 fällig wird. Am selben Tag schlossen die Schuldnerin und die Beklagte eine gesonderte Rangrücktrittsvereinbarung. Diese bestimmte, dass von der Forderung aus dem Lizenzvertrag € 15.000,00 von der Schuldnerin bezahlt werden und über die verbleibenden € 165.000,00 die Beklagte mit allen gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüchen aus und im Rang hinter sämtliche Ansprüche aller gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger der Schuldnerin zurücktritt. Am 22. Februar 2016 überwies die Schuldnerin € 15.000,00 unter Bezugnahme auf den Lizenzvertrag an die Beklagte.

Am 10. Juni 2016 stellte die Schuldnerin einen Insolvenzantrag. Das Insolvenzgericht eröffnete das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 21. September 2016 und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger verlangt die Rückzahlung der am 22. Februar 2016 gezahlten € 15.000,00. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Klage hinsichtlich des Anfechtungsanspruchs abgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision strebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Diese Revision hat Erfolg.

BGH: Schuldner muss seine Zahlungsunfähigkeit erkennen

In den Entscheidungsgründen wiederholt der BGH zunächst seine Ausführungen, wonach die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung, da es sich um innere, den Beweis nur uneingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden können. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Diese Anknüpfungstatsachen sind sodann vom Tatrichter zu würdigen. Der Benachteiligungsvorsatz kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig war. Hinzukommen muss dann, dass der Schuldner weiß oder in Kauf nimmt, auch künftig seine Gläubiger nicht befriedigen zu können.

Allerdings stellt die Zahlungsunfähigkeit nur dann ein Indiz für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz dar, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat. Ob der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hat, hängt in erster Linie davon ab, ob er die Tatsachen kennt, welche die Zahlungsunfähigkeit begründen, und ob die gesamten Umstände zwingend auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Hierzu muss der Schuldner nicht nur die Forderung kennen, sondern auch deren Fälligkeit. Hält der Schuldner eine Forderung, welche die Zahlungsunfähigkeit begründet, aus Rechtsgründen für nicht durchsetzbar oder nicht fällig, steht dies einer Kenntnis entgegen, sofern bei einer Gesamtwürdigung der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit nicht zwingend naheliegt. Der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit liegt zwingend nahe, wenn sich ein redlich denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, der Schuldner sei zahlungsunfähig.

Vorliegend ging die Schuldnerin im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung nicht davon aus, zahlungsunfähig zu sein. Aufgrund der schwierigen und streitigen Rechtsfragen durfte die Schuldnerin auch davon ausgehen, dass die gegen sie gerichteten Forderungen nicht fällig waren. Die Schuldnerin hatte damals ihre Zahlungsunfähigkeit jedenfalls nicht erkannt, der Schluss auf das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit war im entscheidenden Fall nicht zwingend. Da vom Kläger keine weiteren Indizien vorgelegt wurden, die einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gestützt hätten, wurde § 133 Abs. 1 InsO vom BGH verlangt.

Fazit

Bereits mit dem Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20 – hat der neunte Zivilsenat des BGH seine Rechtsprechungsänderung zur Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO eingeleitet. Kernaussage dieser Entscheidung war, dass für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes die Kenntnis des Schuldners erforderlich ist, auch künftig seine Gläubiger nicht vollständig bezahlen zu können. Diese Rechtsprechungsänderung wurde mit dem bereits von uns vorgestellten Urteil vom 10.02.2022 – IX ZR 148/19 – konkretisiert. Danach fehlt einem Anfechtungsgegner, der nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber kennt, in der Regel der für die Beurteilung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderliche Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners. Weitere Konkretisierungen insbesondere zu den Anforderungen an den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners enthalten die ebenfalls von uns vorgestellten Urteile vom 24.02.2022 – IX ZR 2050/20 sowie vom 03.03.2022 – IX ZR 53/19.

 

Rechtsanwältin Alexandra Lades


Insolvenzanfechtungsrecht - BGH zur Relevanz der insolvenzrechtlichen Überschuldung im Rahmen der Vorsatzanfechtung

Insolvenzanfechtungsrecht – BGH zur Relevanz der insolvenzrechtlichen Überschuldung im Rahmen der Vorsatzanfechtung

Der BGH hat in mehreren Entscheidungen die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung im Sinne des § 133 InsO konkretisiert und die Anforderungen an den Insolvenzverwalter für den Nachweis der subjektiven Merkmale erhöht, wie wir bereits in den vorangegangenen Blogs berichtet haben. Diese Linie führt der BGH nun auch in seiner Entscheidung vom 03.03.2022 – IX ZR 53/19 – fort.

Hintergrund

In dem Fall ging es um die Frage, welche Bedeutung der insolvenzrechtlichen Überschuldung für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz zukommt. Die Karlsruher Richter stellten zunächst klar, dass die insolvenzrechtliche Überschuldung insoweit ein eigenständiges Beweisanzeichen darstellt. Seine Stärke hängt davon ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Überschuldung den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erwarten lässt und wann der Eintritt bevorsteht. Insolvenzrechtlich überschuldet ist ein Rechtsträger, der nicht über ausreichend Vermögen verfügt, um seine bestehenden Verbindlichkeiten zu decken. Hinzutreten muss, dass die Fortführung des Unternehmens bis zum Ende eines zwölfmonatigen Prognosezeitraums nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Eine negative Fortführungsprognose ist nach dem späteren Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlich. Die Zahlungsunfähigkeit kann unmittelbar bevorstehen, sie kann aber auch erst am Rande des Prognosezeitraums eintreten. Es bedarf daher zusätzlicher, in der Art und Weise der Rechtshandlung liegender Umstände, um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu begründen. Mit Blick auf die Kenntnis des Anfechtungsgegners würde es nicht genügen, dass der Gläubiger, hier das Finanzamt, weiß, dass der Schuldner bilanziell überschuldet ist. Für die Annahme einer Überschuldung fehlt es nämlich an einer gesetzlichen Vermutung, weshalb der nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtende Insolvenzverwalter den Eintritt der insolvenzrechtlichen Überschuldung voll beweisen muss.

Vortrag zur negativen Fortführungsprognose erforderlich

Dies gilt auch für die negative Fortführungsprognose. Kumulativ ist erforderlich, dass die insolvenzrechtliche Überschuldung dem Anfechtungsgegner bekannt geworden ist. Auf diesem zum Grundsatz soll der Insolvenzverwalter darlegen und beweisen. Der Nachweis der insolvenzrechtlichen Überschuldung wird im Anfechtungsprozess grundsätzlich nicht durch eine Handelsbilanz erleichtert, die einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausweist. Im Anfechtungsprozess ist daher nicht ausreichend, dass der Verwalter nur eine rechnerische Überschuldung darlegt, da daneben eine negative Fortführungsprognose und die Kenntnis des Anfechtungsgegners von dieser erforderlich sind. Vom außenstehenden Gläubiger kann nämlich nicht erwartet werden, dass er Umstände darlegt, dies aus damaliger Sicht rechtfertigten, das schuldnerische Unternehmen fortzuführen. Vielmehr ist grundsätzlich der Verwalter gehalten, zur negativen Fortführungsprognose vorzutragen. Dies gilt gleichermaßen für den Nachweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Überschuldung, selbst wenn diesem eine solche Handelsbilanz bekannt geworden ist.

Fazit

Der BGH hat die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO also auch mit dieser Entscheidung erheblich verschärft. Der Beobachtungs- und Erkundigungsobliegenheit, die Verwalter in der Praxis oft sehen bzw. unterstellen, hat er eine gründliche Absage erteilt. Eine rechtliche Prüfung insolvenzanfechtungsrechtlicher Rückforderungsansprüche dürfte die Verteidigungschancen künftig weiter erhöhen.

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Rechtsanwältin Alexandra Lades


Insolvenzanfechtungsrecht – BGH zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei Sanierungsversuch

Insolvenzanfechtungsrecht – BGH zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei Sanierungsversuch

Bezahlt ein Unternehmen einen Sanierungsberater für ein Konzept, um die Insolvenz abzuwenden, liegt dem BGH zufolge nicht ohne weiteres der Vorsatz, andere Gläubiger zu benachteiligen, vor. Vielmehr müsse der Insolvenzverwalter darlegen und beweisen, dass das Sanierungskonzept von vornherein untauglich war und diese Tatsache dem Schuldner auch bekannt war. Die Insolvenzanfechtung eines Beraterhonorars in Höhe von rund 4,5 Mio. € ist daher vorläufig fehlgeschlagen.

BGH, Urteil vom 03.03.2022 – IX ZR 78/20

Hintergrund

Nach dem Einbruch im Photovoltaik-Markt geriet der weltweit agierende Konzern „Q-CELLS“ im Jahr 2011 in eine finanzielle Krise. Es wurde eine Rechtsanwaltsgesellschaft engagiert, um ein Sanierungskonzept zu erstellen. Um die Insolvenz zu vermeiden, riet die Sanierungsberaterin, dass Verbindlichkeiten aus Wandelschuldverschreibungen in Eigenkapital umgewandelt werden. Dafür musste jeder einzelne Anleihe-Gläubiger seine Zustimmung erteilen. Die Gläubigerversammlung stimmte zwar mehrheitlich zu, aber bestimmte Gläubiger erhoben Anfechtung- und Nichtigkeitsklagen.

Die Rechtsanwaltsgesellschaft stellte für die Beratungstätigkeit laufend Rechnungen in Höhe von insgesamt rund 4,5 Mio. €, die von dem Konzern auch beglichen wurden. Sie erhielten keine Angaben über die konkret abgerechneten Tätigkeiten. Nach knapp vier Monaten stellte Q-CELLS aber doch einen Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter forderte das Honorar des Sanierungsberaters zurück. Das LG Frankfurt am Main gab der Klage statt, das OLG Frankfurt setzt die Rückzahlungssumme auf rund 0,5 Mio. € herab. Beide Parteien wandten sich an den BGH.

Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei Rettungsversuch

Unternimmt ein Unternehmen einen Versuch, die Insolvenz abzuwenden, indem es einen Sanierungsberater engagiert, muss der Insolvenzverwalter dem BGH zufolge für die Anfechtung der Honorarzahlung nach § 133 Abs. 1 InsO darlegen. Auch müsse er beweisen, dass dieser Sanierungsversuch von vornherein (ex ante Betrachtung) untauglich war und dem Konzern das auch bewusst war. Dabei komme es zum einen darauf an, ob der Berater als kompetent anzusehen und ob das Konzept rechtlich vertretbar ist. Dabei sei ein großzügiger Maßstab anzulegen. Dazu gehört laut dem BGH aber mindestens, auch die Ursache der Krise zu behandeln und nicht nur die akute Liquiditätslücke zu beseitigen.

Honorarzahlung ohne Angabe der konkreten Tätigkeit

Die Karlsruher Richter bekräftigten zugleich, dass ein Rechtsanwalt und sein Mandant frei sind, vertraglich zu vereinbaren, wie die Rechnungen aussehen sollen. Vereinbarten die Parteien also, dass diese ohne nähere Angaben zu der abgerechneten Tätigkeit fällig und durchsetzbar sind, sei § 10 Abs. 2 RVG insoweit abdingbar.

Fazit

Auch hier erschwert der BGH seine Anforderungen an die Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, in dem er verlangt, dass der Insolvenzverwalter konkret darlegen und beweisen muss, dass das Sanierungskonzept von vornherein untauglich war und diese Tatsache dem Schuldner auch bekannt war. Das Urteil passt also in die Reihe der neuerlich veröffentlichten Rechtsprechungen, die an den Tatbestand der Vorsatzanfechtung höhere Anforderungen stellen.

Rechtsanwalt Manuel Ast


Insolvenzanfechtungsrecht - BGH: Konkretisierung der „Neujustierung“ bei der Vorsatzanfechtung

Insolvenzanfechtungsrecht – BGH: Konkretisierung der „Neujustierung“ bei der Vorsatzanfechtung

Bei der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO hat der BGH nun aktuell seine bisherige Rechtsprechung geändert. Die neue Entscheidung erschwert den Insolvenzverwaltern die Anfechtung insbesondere gegenüber Lieferanten und Dienstleistern, die keine detaillierten Einblicke in die wirtschaftliche Situation des
BGH, Urteil vom 10.02.2022 – IX ZR 148/19

Sachverhalt

Die klagende Insolvenzverwalterin einer Spedition macht gegen die Beklagte die Anfechtbarkeit von insgesamt 36 Zahlungen auf Vergütungsansprüche für Transportleistungen nach § 133 Abs. 1 InsO im Zeitraum April 2014 bis September 2015 geltend. Der Insolvenzeröffnung lag ein am 31.07.2015 gestellter Insolvenzantrag zugrunde. Bereits Anfang des Jahres 2013 hatten einige öffentlich-rechtliche Gläubiger vergebens versucht zu vollstrecken und Insolvenzantrag gestellt, die nach Zahlungen Dritter für erledigt erklärt wurden. Gegenüber dem Finanzamt hat die Schuldnerin ihre Zahlungsunfähigkeit eingeräumt. Der Beklagten, die seit Jahren eine Geschäftsbeziehung zur Schuldnerin hatte, waren diese Umstände nicht bekannt. Sie kannte nur das im Wesentlichen seit Jahren gleichbleibend schleppende Zahlungsverhalten und ihre teils vergebenen Mahnungen, in denen gerichtliche Mahnverfahren oder rechtliche Schritte in Aussicht gestellt wurden. Die Berufung gegen das bezüglich der Hauptforderung stattgebende Urteil des Landgerichts wurde durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die vom Senat daraufhin zugelassene Revision war erfolgreich und führte zur Klageabweisung.

BGH – Einblick in wirtschaftliche Situation maßgeblich

Der BGH stellt zunächst fest, dass sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine Anfechtbarkeit nur aus § 133 Abs. 1 InsO in der bis zum 04.04.2017 geltenden Fassung ergeben könne. Der dafür erforderliche Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners könnten als subjektive innere Tatsachen in aller Regel nur aus Hilfstatsachen hergeleitet werden. Der Tatrichter habe dabei die jeweilige BGH-Rechtsprechung zu den Beweisanzeichen zu berücksichtigen, wobei im Falle der kongruenten Deckung die von den Beteiligten erkannte Zahlungsunfähigkeit für den Vollbeweis nicht mehr genüge und zusätzlich eine aus Schuldnersicht negative Perspektive erforderlich sei. Die erkannte Zahlungsunfähigkeit zum nach § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkt sei Voraussetzung für ein in die Gesamtwürdigung einzubeziehendes Beweisanzeichen. Zwar hat das Berufungsgericht von einer ursprünglichen Zahlungseinstellung im Zusammenhang mit den rückständigen öffentlich-rechtlichen Forderungen, den Vollstreckungsmaßnahmen an den eigenen Erklärungen der Schuldnerin ausgehen können. Diese wirke nach der Senatsrechtsprechung grundsätzlich fort, wobei die Fortdauer Vermutung in Stärke und Dauer vom Ausmaß der Zahlungsunfähigkeit abhängig sei.

Zwar habe grundsätzlich der Anfechtungsgegner die allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen darzulegen und nachzuweisen. Der dafür erforderliche Vortrag sei aber durch eine sekundäre Darlegungslast des Verwalters beschränkt. Für das Auslösen dieser sekundären Darlegungslast sei es erforderlich, dass ein vom Anfechtungsgegner darzulegender Umstand bestehe, der eine Wiederaufnahme der Zahlungen im Allgemeinen als möglich erscheinen lasse. Dies sei anzunehmen, wenn die zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit herangezogenen Verbindlichkeiten nicht mehr bestehen und die Kenntnis vom Zahlungsverhalten im Übrigen fehlt. Dem Verwalter obliege dann zum Zahlungsverhalten im entsprechenden Zeitraum vorzutragen, um der Beklagten in die Lage zu versetzen die Fortdauervermutung zu entkräften. Mit Wegfall der öffentlich-rechtlichen Forderungen durch Durchtrittzahlungen und Erledigungen der Insolvenzanträge sei die Klägerin gehalten gewesen, zum Umfang nicht bedienter Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern in diesem Zeitpunkt vorzutragen.

Dem dauerhaft schleppenden, aber im Wesentlichen gleich bleibenden Zahlungsverhalten gegenüber der Beklagten lasse sich im Rahmen der Gesamtumstände keine Zahlungseinstellung zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen herleiten, nachdem dies bereits für einen Zeitraum in dem der Schuldner seine Zahlungen nicht eingestellt hatte. Von einer Kenntnis der Beklagten von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz könne auch unter Berücksichtigung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO in der alten Fassung nicht ausgegangen werden. Die Annahme einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erfordere eine in die Zukunft gerichtete Prognose zur Finanzlage. Kenne der Anfechtungsgegner nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber, fehle es regelmäßig an den für die Prognose notwendigen Kenntnissen, die zur Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderlich sind.

Fazit

Die Entscheidung zeigt, dass der BGH bei der Beweiswürdigung im Rahmen des § 286 ZPO bei kongruenten Deckungen einen weniger starren Blick anwendet und die Entwicklung der konkreten Gesamtumstände mit Bezug zur Liquiditätslage in den Vordergrund rückt. Insolvenzverwalter werden daher aufgrund der sekundären Darlegungslast künftig den Vortrag zur Liquiditätssituation auf den Zeitraum nach einer nachweislich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit erweitern und vertiefen müssen. Mit diesem Urteil erhöhte der BGH die Hürden für die Vorsatzanfechtung gegenüber Lieferanten und Dienstleistern erheblich.

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Rechtsanwalt Manuel Ast


Insolvenzrecht - BGH: Zahlungsverhalten gegenüber Sozialversicherungsträgern als Beweisanzeichen für eine Zahlungseinstellung

Insolvenzrecht – BGH: Zahlungsverhalten gegenüber Sozialversicherungsträgern als Beweisanzeichen für eine Zahlungseinstellung

Der BGH hat mit Urteil vom 28.04.2022 – IX ZR 48/21 – entschieden

a) ob das Zahlungsverhalten des zahlungsunfähigen Schuldners gegenüber einem Sozialversicherungsträger den Schluss rechtfertigt, dass der Schuldner wusste oder billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können, richtet sich nach einer Gesamtwürdigung, insbesondere der Dauer des Rückstands für einzelne Betrag Beitragsmonate, des Zeitraums, in dem rückständige Beiträge auftreten, und der Entwicklung der rückständigen Beiträge.

b) fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs, die bereits zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung bestanden und bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, sprechen für einen Benachteiligungsvorsatz, wenn sie nach Art, Höhe, Anzahl und Bedeutung den Schluss zulassen, dass der Schuldner bereits zum Zeitpunkt der Rechtshandlung erkannt oder billigend in Kauf genommen hat, diese Verbindlichkeiten nicht mehr vollständig befriedigen zu können.

Die Zahlungseinstellung kann aus einem einzigen Indiz gefolgert werden, wenn dieses Indiz eine hinreichende Aussagekraft hat. Fehlt es an einem hinreichend aussagekräftigen einzelnen Indiz, kommt der Schluss auf eine Zahlungseinstellung nur in Betracht, wenn die Gesamtheit der Indizien die volle richterliche Überzeugung einer Zahlungseinstellung rechtfertigt.

Zahlt der Schuldner Sozialversicherungsbeiträge stets vollständig, aber im Wesentlichen gleichbleibend durchgängig um einen bis weniger als zwei Monate verspätet, stellt dies für sich genommen kein ausreichendes Indiz dar, um eine Zahlungseinstellung zu begründen.

BGH, Urteil vom 28.04.2022 – IX ZR 48/21

In Bezug auf Insolvenzanfechtungsansprüche, insbesondere hinsichtlich deren Abwehr stehen wir Ihnen in unserer auf das Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei kompetent zur Verfügung.

 

Rechtsanwalt Manuel Ast


Insolvenzrechtsreform 2021

Insolvenzrechtsreform 2021

Artikel von Herrn Rechtsanwalt Manuel Ast in der
aktuellen Ausgabe des MedMaxx-Magazins.
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Rechtsanwalt Manuel Ast


Coronakrise und Insolvenz

Coronakrise und Insolvenz

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bereitet gemäß Presseerklärung vom 16.03.2020 kurzfristig eine gesetzliche Regelung zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vor, um Unternehmen zu schützen, die infolge der Corona-Epidemie in eine finanzielle Schieflage geraten. Als Vorbild hierfür dienen Regelungen, die anlässlich der Hochwasserkatastrophen 2002, 2013 und 2016 getroffen wurden.

Hierzu erklärt die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht:

„Wir wollen verhindern, dass Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen. Die reguläre Drei-Wochen-Frist der Insolvenzordnung ist für diese Fälle zu kurz bemessen. Deshalb flankieren wir das von der Bundesregierung bereits beschlossene Hilfspaket mit einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 für die betroffenen Unternehmen. Mit diesem Schritt tragen wir dazu bei, die Folgen des Ausbruchs für die Realwirtschaft abzufedern.“

Die Bundesregierung hat angekündigt, verschiedene Instrumente zur Stützung der Liquidität von Unternehmen bereitzustellen, die aufgrund der Auswirkungen der Corona-Epidemie in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Es ist aber aus organisatorischen und administrativen Gründen nicht sichergestellt, dass derartige Hilfen rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht bei den Unternehmen ankommen werden.

Um zu vermeiden, dass betroffene Unternehmen allein deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil die Bearbeitung von Anträgen auf öffentliche Hilfen bzw. Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen in der außergewöhnlichen aktuellen Lage nicht innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht abgeschlossen werden können, soll daher durch eine gesetzliche Regelung für einen Zeitraum bis zum 30.09.2020 die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt werden.

Voraussetzung für die Aussetzung soll zum einen sein, dass der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der Corona-Epidemie beruht und zum anderen, dass aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung bestehen.

Als mittelstandsorientierte Fachanwälte für Insolvenzrecht unterstützen wir sie als Geschäftsführer in Krise und Sanierung, um den unternehmerischen Entscheidungsprozess zwischen außergerichtlicher Sanierung und Restrukturierung oder insolvenzrechtlichen Sanierungsmöglichkeiten, insbesondere via Eigenverwaltung und Insolvenzplan oder übertragender Sanierung zu unterstützen und persönliche Haftungsrisiken zu vermeiden. Dabei ist das staatliche Schutzschirmbündel und die damit gewährte Sanierungsunterstützung über unmittelbare Liquiditätshilfen, Sanierungskredite und Kurzarbeitergeld mit in die Überlegungen einzubeziehen.


Betriebsschließung wegen Corona-Krise- Mögliche Entschädigung bei Existenzgefährdung für Unternehmer und Selbstständige nach § 56 Infektionsschutzgesetz – IfSG

Betriebsschließung wegen Corona-Krise- Mögliche Entschädigung bei Existenzgefährdung für Unternehmer und Selbstständige nach § 56 Infektionsschutzgesetz – IfSG

Nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen stehen Ihnen als selbständigem Unternehmer wegen ergangenen Allgemeinverfügungen, insbesondere Betriebsschliessungen nach § 56 Infektionsschutzgesetz – IfSG mögliche Entschädigungsansprüche, insbesondere bei Existenzgefährdung.

Die Norm sieht im Einzelnen folgendes vor:

(1) Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können. Eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können.
(2) Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gewährt, soweit der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt.
(3) Als Verdienstausfall gilt das Arbeitsentgelt (§ 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch), das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang zusteht (Netto-Arbeitsentgelt). Der Betrag erhöht sich um das Kurzarbeitergeld und um das Zuschuss-Wintergeld, auf das der Arbeitnehmer Anspruch hätte, wenn er nicht aus den in Absatz 1 genannten Gründen an der Arbeitsleistung verhindert wäre. Verbleibt dem Arbeitnehmer nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder bei Absonderung ein Teil des bisherigen Arbeitsentgelts, so gilt als Verdienstausfall der Unterschiedsbetrag zwischen dem in Satz 1 genannten Netto-Arbeitsentgelt und dem in dem auf die Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder der Absonderung folgenden Kalendermonat erzielten Netto-Arbeitsentgelt aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis. Die Sätze 1 und 3 gelten für die Berechnung des Verdienstausfalls bei den in Heimarbeit Beschäftigten und bei Selbständigen entsprechend mit der Maßgabe, dass bei den in Heimarbeit Beschäftigten das im Durchschnitt des letzten Jahres vor Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder vor der Absonderung verdiente monatliche Arbeitsentgelt und bei Selbständigen ein Zwölftel des Arbeitseinkommens (§ 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) aus der entschädigungspflichtigen Tätigkeit zugrunde zu legen ist.
(4) Bei einer Existenzgefährdung können den Entschädigungsberechtigten die während der Verdienstausfallzeiten entstehenden Mehraufwendungen auf Antrag in angemessenem Umfang von der zuständigen Behörde erstattet werden. Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme nach Absatz 1 ruht, erhalten neben der Entschädigung nach den Absätzen 2 und 3 auf Antrag von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang.
(5) Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Im Übrigen wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt.
(6) Bei Arbeitnehmern richtet sich die Fälligkeit der Entschädigungsleistungen nach der Fälligkeit des aus der bisherigen Tätigkeit erzielten Arbeitsentgelts. Bei sonstigen Entschädigungsberechtigten ist die Entschädigung jeweils zum Ersten eines Monats für den abgelaufenen Monat zu gewähren.
(7) Wird der Entschädigungsberechtigte arbeitsunfähig, so bleibt der Entschädigungsanspruch in Höhe des Betrages, der bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an den Berechtigten auszuzahlen war, bestehen. Ansprüche, die Berechtigten nach Absatz 1 Satz 2 wegen des durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Verdienstausfalls auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften oder eines privaten Versicherungsverhältnisses zustehen, gehen insoweit auf das entschädigungspflichtige Land über.
(8) Auf die Entschädigung sind anzurechnen

1.
Zuschüsse des Arbeitgebers, soweit sie zusammen mit der Entschädigung den tatsächlichen Verdienstausfall übersteigen,
2.
das Netto-Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen nach Absatz 3 aus einer Tätigkeit, die als Ersatz der verbotenen Tätigkeit ausgeübt wird, soweit es zusammen mit der Entschädigung den tatsächlichen Verdienstausfall übersteigt,
3.
der Wert desjenigen, das der Entschädigungsberechtigte durch Ausübung einer anderen als der verbotenen Tätigkeit zu erwerben böswillig unterlässt, soweit es zusammen mit der Entschädigung den tatsächlichen Verdienstausfall übersteigt,
4.
das Arbeitslosengeld in der Höhe, in der diese Leistung dem Entschädigungsberechtigten ohne Anwendung der Vorschriften über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch sowie des § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch in der jeweils geltenden Fassung hätten gewährt werden müssen.

Liegen die Voraussetzungen für eine Anrechnung sowohl nach Nummer 3 als auch nach Nummer 4 vor, so ist der höhere Betrag anzurechnen.
(9) Der Anspruch auf Entschädigung geht insoweit, als dem Entschädigungsberechtigten Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld für die gleiche Zeit zu gewähren ist, auf die Bundesagentur für Arbeit über.
(10) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls, der dem Entschädigungsberechtigten durch das Verbot der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit oder durch die Absonderung erwachsen ist, geht insoweit auf das zur Gewährung der Entschädigung verpflichtete Land über, als dieses dem Entschädigungsberechtigten nach diesem Gesetz Leistungen zu gewähren hat.
(11) Die Anträge nach Absatz 5 sind innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder dem Ende der Absonderung bei der zuständigen Behörde zu stellen. Dem Antrag ist von Arbeitnehmern eine Bescheinigung des Arbeitgebers und von den in Heimarbeit Beschäftigten eine Bescheinigung des Auftraggebers über die Höhe des in dem nach Absatz 3 für sie maßgeblichen Zeitraum verdienten Arbeitsentgelts und der gesetzlichen Abzüge, von Selbständigen eine Bescheinigung des Finanzamtes über die Höhe des letzten beim Finanzamt nachgewiesenen Arbeitseinkommens beizufügen. Ist ein solches Arbeitseinkommen noch nicht nachgewiesen oder ist ein Unterschiedsbetrag nach Absatz 3 zu errechnen, so kann die zuständige Behörde die Vorlage anderer oder weiterer Nachweise verlangen.
(12) Die zuständige Behörde hat auf Antrag dem Arbeitgeber einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages, den in Heimarbeit Beschäftigten und Selbständigen in der voraussichtlichen Höhe der Entschädigung zu gewähren.

Gerne unterstützen wir sie zu rechtlichen Fragen zur Geltendmachung möglicher Entschädigungsansprüche wegen der Corona Krise.


Corona-Sonderregelungen- Aussetzung der Insolvenzantragspflicht- Weichenstellung zwischen Insolvenz- Eigenverwaltung oder Sanierung und Restrukturierung

Corona-Sonderregelungen- Aussetzung der Insolvenzantragspflicht- Weichenstellung zwischen Insolvenz- Eigenverwaltung oder Sanierung und Restrukturierung

Die Corona-Pandemie stürzt viele Unternehmen in die Krise. Um die Fortführung von Unternehmen, die wegen der Coronakrise in Schwierigkeiten geraten sind, zu erleichtern, hat der Bundestag am Mittwoch beschlossen, dass die Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020 ausgesetzt wird. Auch wird es Gläubigern erschwert, Insolvenzverfahren zu beantragen.

Der Bundestag hat am Mittwoch im Rahmen eines milliardenschweren Hilfspaketes beschlossen, dass die Insolvenzantragspflicht bis September 2020 ausgesetzt wird. Hintergrund ist die Zustimmung zu einem Gesetzesentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD zur „Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“.

Ist eine Firma überschuldet und kann ihre Zahlungsverpflichtungen und Kredite in absehbarer Zeit nicht bedienen, sind Geschäftsführer grundsätzlich verpflichtet, innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht einzureichen, § 15 a InsO. Diese Pflicht wird nun bis Ende September 2020 ausgesetzt. Darüber hinaus werden den betroffenen Unternehmen erhebliche finanzielle Hilfen zur Verfügung gestellt.

Nach § 1 des neuen Gesetzes wird die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a der Insolvenzordnung und nach § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Ist der Schuldner eine natürliche Person, so ist § 290 Absatz 1 Nummer 4 der Insolvenzordnung mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf die Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Zeitraum zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. September 2020 keine Versagung der Restschuldbefreiung gestützt werden kann. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.

Wir beraten Sie gerne zur Frage der Insolvenzantragspflicht und der ggf. gleichwohl bestehenden Weichenstellung zwischen Insolvenz- ggf. in Eigenverwaltung, Fortführung unter Neukreditierung oder Liquidation.