Insolvenzrecht – Vorsatzanfechtung – Gläubigerbenachteiligung durch Einfuhrumsatzsteuerzahlungen

1. Der Annahme einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung durch die Zahlung von Einfuhrumsatzsteuer stehen weder das von der Entstehung der steuerabhängige Recht zum Vorsteuerabzug noch eine unterstellte Pflicht zur Berichtigung des getätigten Vorsteuerabzugs entgegen.

2. Die Vorschrift ist nicht auf Rechtshandlungen anwendbar, die Deckung für Forderungen aus einem Steuerschuldverhältnis gewährt haben.

Der BGH entschied in einem Verfahren gegen ein Finanzamt, dass es sich bei der Rückforderung der Einfuhrumsatzsteuer nicht um eine rechtsmissbräuchliche Rückforderung handelt.

BGH, Urteil vom 08.02.2024 – IX ZR 194/22

Hintergrund

Im Jahr 2020 stellte eine Gesellschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung und strebte die Durchführung eines Schutzschirmverfahrens an. Kurz vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zahlte die Gesellschaft dem Hauptzollamt rund € 13 Mio. Einfuhrumsatzsteuer und machte diese im Rahmen des Vorsteuerabzugs wieder geltend. Der Sachwalter forderte vom Hauptzollamt € 13 Mio. im Klageweg erfolglos zurück. Später wurde dann ein Insolvenzplan erstellt und nach dessen Annahme das Insolvenzverfahren aufgehoben. Der Sachwalter führt die Klage auch nach dem Abschluss des Verfahrens fort und siegte letztendlich vor dem BGH.

Keine rechtsmissbräuchliche Rückforderung

Nach Ansicht des BGH besteht der Anspruch des Sachwalters aus Vorsatzanfechtung gemäß den §§ 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 InsO. So wäre die Zollbehörde ohne die Zahlungen ebenfalls zur Insolvenzgläubigerin geworden und die Steuern hätten die Insolvenzmasse verkürzt.

Das Finanzamt könne dem nicht entgegenhalten, dass die Gesellschaft die Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG bereits geltend gemacht habe. Das Vorsteuerabzugsrecht entsteht nach Ansicht des BGH nicht erst durch die Umsatzsteuerzahlung, sondern bereits mit Steuerentstehung. Daher gebe es keine derartige Verknüpfung zwischen der Steuerentrichtung und dem Vorsteuerabzug, die eine Vorsatzanfechtung der gezahlten Steuern nach den §§ 130 ff. InsO verbieten würde.

Auch liegt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 242 BGB vor. Zwar könne die Behörde im Rahmen der Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 3 UStG die Vorsteuer wieder zurückfordern und ihre offene Umsatzsteuerforderung geltend machen. Allerdings wäre die Befriedigungsquote der Insolvenzgläubiger höher ausgefallen, wenn die Steuerzahlung unterblieben wäre.
(vgl. Beck aktuell, aktuelle Rechtsprechung).

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Rechtsanwalt Manuel Ast