Insolvenzrecht - BGH zu Insolvenzanfechtungsansprüchen - positive Kenntnis notwendig

Insolvenzrecht – BGH zu Insolvenzanfechtungsansprüchen – positive Kenntnis notwendig

1. Die Sachhaftung an einfuhrabgabenpflichtiger Ware ist im Grundsatz eine kongruentere Sicherung.

2. Der Leiter einer Behörde ist neben dem zuständigen Sachbearbeiter ein für die Wissenszurechnung geeigneter Kenntnisträger; ob der Behördenleiter an der angefochtenen Rechtshandlung beteiligt war oder nicht, ist ohne Bedeutung.

3.
a) Der Rückschluss von einer medialen Berichterstattung auf die Kenntnis von einem bestimmten Gegenstand der Berichterstattung ist nur tragfähig, wenn die Berichterstattung derart umfassend und hervorgehoben erfolgt ist, dass sie dem Kenntnisgeber nicht verborgen geblieben sein kann.

3.
b) Eine Verletzung der Beobachtungs- und Erkundigungsobliegenheit im Blick auf ein erkanntermaßen krisenbehaftetes Unternehmen führt nicht zur Annahme einer tatsächlich nicht vorhandenen Kenntnis.

BGH, Urteil vom 8.2.2024 – IX ZR 107/22

Hintergrund

In dem hier vom BGH zu entscheidenden Fall, stellte dieser klar, dass die hier für Insolvenzanfechtungsansprüche vorausgesetzte Kenntnis nicht allein durch die Vorlage einer Vielzahl von Medienberichten begründet werden kann. Der Umstand, dass ein Medienbericht existiert, setzt nicht voraus, dass dieser auch gelesen und wahrgenommen worden ist.

Weiter entschied der BGH, dass der Leiter einer Behörde – hier das Hauptzollamt – neben dem zuständigen Sachbearbeiter ein für die Wissenszurechnung geeigneter Kenntnisträger sein kann. Es ist dabei unerheblich, ob der Behördenleiter an der angefochtenen Rechtshandlung beteiligt war oder nicht. Dies hat keine Auswirkungen auf die konkrete Kenntnis. Auch der Leiter einer Behörde, wie der des Hauptzollamts, muss nicht zwangsläufig mediale Berichte über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens lesen. Es ist schon nicht klar, was unter der medialen Berichterstattung generell im üblichen Umfang zu verstehen ist. Es gehört jedenfalls nicht zum üblichen Umfang, sich einen umfassenden Überblick über jede Art der überregionalen Berichterstattung zu verschaffen.

Auch ein Verstoß gegen die Beobachtungs- und Erkundigungspflichten indiziert keine positive Kenntnis.

Die Entscheidung zeigt, dass auch weiterhin nicht ausreichend ist, dass dem Verwalter eine Vielzahl von medialen Berichten vorliegen, ohne die konkrete Kenntnis des Anfechtungsgegners darzulegen. Die Anfechtungstatbestände setzen eine positive Kenntnis voraus. Eine grob fahrlässige Unkenntnis (beispielsweise infolge einer Verletzung der Beobachtungs- und Erkundigungsobliegenheit) reicht nicht aus.

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Rechtsanwalt Manuel Ast


Insolvenzanfechtungsrecht – BGH zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei Sanierungsversuch

Insolvenzanfechtungsrecht – BGH zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei Sanierungsversuch

Bezahlt ein Unternehmen einen Sanierungsberater für ein Konzept, um die Insolvenz abzuwenden, liegt dem BGH zufolge nicht ohne weiteres der Vorsatz, andere Gläubiger zu benachteiligen, vor. Vielmehr müsse der Insolvenzverwalter darlegen und beweisen, dass das Sanierungskonzept von vornherein untauglich war und diese Tatsache dem Schuldner auch bekannt war. Die Insolvenzanfechtung eines Beraterhonorars in Höhe von rund 4,5 Mio. € ist daher vorläufig fehlgeschlagen.

BGH, Urteil vom 03.03.2022 – IX ZR 78/20

Hintergrund

Nach dem Einbruch im Photovoltaik-Markt geriet der weltweit agierende Konzern „Q-CELLS“ im Jahr 2011 in eine finanzielle Krise. Es wurde eine Rechtsanwaltsgesellschaft engagiert, um ein Sanierungskonzept zu erstellen. Um die Insolvenz zu vermeiden, riet die Sanierungsberaterin, dass Verbindlichkeiten aus Wandelschuldverschreibungen in Eigenkapital umgewandelt werden. Dafür musste jeder einzelne Anleihe-Gläubiger seine Zustimmung erteilen. Die Gläubigerversammlung stimmte zwar mehrheitlich zu, aber bestimmte Gläubiger erhoben Anfechtung- und Nichtigkeitsklagen.

Die Rechtsanwaltsgesellschaft stellte für die Beratungstätigkeit laufend Rechnungen in Höhe von insgesamt rund 4,5 Mio. €, die von dem Konzern auch beglichen wurden. Sie erhielten keine Angaben über die konkret abgerechneten Tätigkeiten. Nach knapp vier Monaten stellte Q-CELLS aber doch einen Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter forderte das Honorar des Sanierungsberaters zurück. Das LG Frankfurt am Main gab der Klage statt, das OLG Frankfurt setzt die Rückzahlungssumme auf rund 0,5 Mio. € herab. Beide Parteien wandten sich an den BGH.

Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei Rettungsversuch

Unternimmt ein Unternehmen einen Versuch, die Insolvenz abzuwenden, indem es einen Sanierungsberater engagiert, muss der Insolvenzverwalter dem BGH zufolge für die Anfechtung der Honorarzahlung nach § 133 Abs. 1 InsO darlegen. Auch müsse er beweisen, dass dieser Sanierungsversuch von vornherein (ex ante Betrachtung) untauglich war und dem Konzern das auch bewusst war. Dabei komme es zum einen darauf an, ob der Berater als kompetent anzusehen und ob das Konzept rechtlich vertretbar ist. Dabei sei ein großzügiger Maßstab anzulegen. Dazu gehört laut dem BGH aber mindestens, auch die Ursache der Krise zu behandeln und nicht nur die akute Liquiditätslücke zu beseitigen.

Honorarzahlung ohne Angabe der konkreten Tätigkeit

Die Karlsruher Richter bekräftigten zugleich, dass ein Rechtsanwalt und sein Mandant frei sind, vertraglich zu vereinbaren, wie die Rechnungen aussehen sollen. Vereinbarten die Parteien also, dass diese ohne nähere Angaben zu der abgerechneten Tätigkeit fällig und durchsetzbar sind, sei § 10 Abs. 2 RVG insoweit abdingbar.

Fazit

Auch hier erschwert der BGH seine Anforderungen an die Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, in dem er verlangt, dass der Insolvenzverwalter konkret darlegen und beweisen muss, dass das Sanierungskonzept von vornherein untauglich war und diese Tatsache dem Schuldner auch bekannt war. Das Urteil passt also in die Reihe der neuerlich veröffentlichten Rechtsprechungen, die an den Tatbestand der Vorsatzanfechtung höhere Anforderungen stellen.

Rechtsanwalt Manuel Ast