Insolvenzrecht – Beihilfe an einer Insolvenzverschleppung durch einen Notar

Hintergrund

Im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft Lübeck Anklage gegen einen Rechtsanwalt und Notar erhoben, da sie ihm zur Last legt, einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat – einer Insolvenzverschleppung gemäß §§ 15 a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Nr. 1 InsO – Beihilfe geleistet zu haben.

So habe der Angeklagte in seiner Funktion als Notar am 20.09.2017 den Geschäftsanteilskaufvertrag mit der Urkunden Nr. 367/2017 über den Verkauf und die Abtretung von Gesellschaftsanteilen, die Geschäftsführerabberufung und Neubestellung sowie die Sitzverlegung der pp. beurkundet. Hierbei soll er gewusst haben, dass die bei diesen Beurkundungen beteiligten Personen mit der Übernahme der Gesellschaftsanteile und der Geschäftsführung den Zweck verfolgten, dieser einer ordnungsgemäßen insolvenzrechtlichen Abwicklung zu entziehen. Trotz Zahlungsunfähigkeit der pp. am 31.10.2017 hätten pp und pp. innerhalb von drei Wochen keinen Insolvenzantrag gestellt, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen seien. Das Amtsgericht Lübeck hatte im März 2021 daher einen Strafbefehl gegen pp. erlassen unter anderem wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in Bezug auf die pp. Das Amtsgericht ging davon aus, dass die pp. spätestens am 31.10.2017 zahlungsunfähig gewesen sei.

Im Weiteren hat das Amtsgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt, da keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte zur Begründung eines hinreichenden Tatverdachts in Bezug auf die Begehung einer Straftat gemäß §§ 15 a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Nr. 1 InsO, 27 StGB vorliegen. Die ermittelten Umstände begründeten keine Beihilfehandlung des Angeklagten. So liege weder eine berufsuntypische Handlung des Angeklagten vor noch sei er in die Planungen von pp. einbezogen gewesen. Bei den Beurkundungen am 20.09.2017 habe der Angeklagte nicht erkannt, dass das Handeln auf die Begehung einer Insolvenzverschleppung gerichtet gewesen sei. Dies sah das Landgericht Lübeck zusammen mit der Staatsanwaltschaft Lübeck, die die Beschwerde eingelegt hat, anders.

„1. Hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilungen einer Hauptverhandlung mit voll gültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist. Die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung in der Hauptverhandlung muss in der Regel höher sein als diejenige eines Freispruchs.

2. Auch ein faktischer Geschäftsführer ist nach §§ 15 a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Nr. 1 InsO strafrechtlich verantwortlich.

3. Bei einer berufstypischen Handlung liegt nur dann eine Beihilfehandlung vor, wenn der Handelnde weiß, dass das Handeln des Haupttäters ausschließlich auf die Begehung einer Straftat abzielt oder wenn das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten derart hoch war, dass es sich die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließen.

4. Die Kenntnis eines Notars im Hinblick auf die Förderung einer Insolvenzverschleppung kann durch die Feststellung von Indizien belegt werden. Hierfür kommen unter anderem insbesondere in Betracht: Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile an einen Dritten, Änderung der Firmierung, wiederholter Wechsel in der Person des Geschäftsführers, Sitzverlegungen der Gesellschaft an einen entfernt gelegenen Ort oder ins Ausland.“

LG Lübeck, Beschluss vom 27.03.2023 – 6 QS 33/22.

In unserer auf das Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei Fragen zu den Voraussetzungen einer Insolvenz sowie zu den Gefahren einer Insolvenzverschleppung gerne zur Verfügung.

 

 

Rechtsanwalt Manuel Ast