Insolvenzrecht – Schadensersatzpflicht des Wirtschaftsprüfers im Insolvenzverfahren

„1.
Die vom BGH entwickelten Grundsätze zur Haftung des Steuerberaters für die Erstellung eines unzutreffenden Jahresabschlusses – wie sie zuletzt in der Entscheidung des BGH vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) ihren Niederschlag gefunden haben – finden auch auf die Haftung des Wirtschaftsprüfers Anwendung.

2.
Eine Pflichtverletzung des Wirtschaftsprüfers scheidet aus, wenn der Lagebericht eine eindeutige Formulierung aufweist, aus welcher er schließen kann, dass der Geschäftsleitung ein Insolvenzrisiko bekannt war.“

LG Ingolstadt, Beschluss vom 22.05.2023 – 81 O 2018/22, Beck RS 2023, 20727.

Hintergrund

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der UG & Co. KG Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aufgrund eines Insolvenzvertiefungsschadens geltend. Die im Jahr 2016 als GmbH & Co. KG gegründete UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG bot auf dem Kapitalmarkt Kapitalanlagen an und bewarb diese. Das hierbei praktizierte Anlagemodell sah vor, dass private Anleger der Schuldnerin ein Darlehen gewähren. Die eingeworbenen Gelder sollten ihrerseits als Darlehen und Projektgesellschaften weitergereicht werden, die mit den Geldern Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien errichten und betreiben sollten. Die Darlehensverträge zwischen der Schuldnerin und den Anlegern einerseits und der Schuldnerin und den Projektgesellschaften andererseits enthielten jeweils qualifizierte Rangrücktrittsklauseln. Durch diese sollte das wirtschaftliche bzw. unternehmerische Risiko vollständig auf die Darlehensgeber verlagert werden. Die Schuldnerin beauftragte die Antragsgegnerin, den Jahresabschluss der Schuldnerin für das Jahr 2018 und den hierzu erstellten Lagebericht im Rahmen des ihr erteilten Prüfauftrags am 10.09.2019 zu erstellen. Der Jahresabschluss aus dem Jahr 2018 wurde von der Antragsgegnerin mit folgender Bemerkung versehen:

„Die Gesellschaft weist zum 31.12.2018 einen nicht durch Vermögensanlagen gedeckten Fehlbetrag aus. Eine Überschuldung im Sinne der Insolvenzordnung ist aufgrund der Rangrücktrittsvereinbarungen in den in der Gesellschaft gewährten Nachrangdarlehen nicht gegeben.“

Sie hat den erstellten Jahresabschluss für das Jahr 2018 am 10.09.2019 testiert. Der Antragsteller trägt vor, dass dem Geschäftsführer der Schuldnerin zwar die Problematik der Wirksamkeit der Nachrangklausel bekannt gewesen sei. Er habe demgegenüber den Zusammenhang zwischen der Unwirksamkeit der Nachrangklauseln an dem Fehlen einer positiven Führungsprognose nicht gekannt und damit keine Kenntnis von seiner Verpflichtung, einen Insolvenzantrag zu stellen, gehabt.

Für den Fall, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin von der Beklagten auf das Fehlen einer positiven Fortführungsprognose hingewiesen worden wäre, wäre er seiner Verpflichtung, einen Insolvenzantrag zu stellen, umgehend nachgekommen. Die Antragsgegnerin sei zum Ersatz des entstandenen Insolvenzvertiefungsschaden verpflichtet.

Landgericht verneint Haftung des Wirtschaftsprüfers

Eine Haftung der Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Hinweis- und Warnpflichten nach den §§ 280 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB kommt bereits deswegen nicht in Betracht, da die Antragsgegnerin bzw. der konkret für sie tätige Prüfer Grund zu der Annahme hatte, dass die Insolvenzschuldnerin sich der Umstände, die auf einen Insolvenzgrund hinweisen – hier die Problematik der Rechtswirksamkeit der Nachrangklauseln – bewusst und in der Lage war, die tatsächliche und rechtliche Bedeutung dieser Umstände einzuschätzen.

Der Lageplan ist ein selbstständiger Teil des Jahresabschlusses. Dieser wird zwar, wie auch die anderen Teile, vom Wirtschaftsprüfer testiert. Der Wirtschaftsprüfer erstellt jedoch den Lagebericht nicht selbst. Außerdem wurde der Lagebericht vom damaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gezeichnet. Lediglich das Testat am Ende des Jahresabschlusses stammt vom Wirtschaftsprüfer. Da beim Lagebericht der damalige Geschäftsführer somit selbst festgehalten hat, dass eine Überschuldung der Firma im insolvenzrechtlichen Sinne nur wegen der Rangrücktrittsvereinbarungen in den der Gesellschaft gewährten Nachrangdarlehen nicht gegeben sei, steht zur Überzeugung des Gerichts bereits positiv fest, dass dem Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin die tatsächliche und auch rechtliche Problematik der nach Rechtswirksamkeit der Nachrangklauseln bewusst und in der Lage war, die tatsächliche und rechtliche Bedeutung bewusst war.

Eine Pflichtverletzung des Wirtschaftsprüfers scheidet hier also aus, wenn der Lagebericht eine eindeutige Formulierung aufweist, aus welcher man erschließen kann, dass der Geschäftsleitung ein Insolvenzrisiko bekannt war. Es bleibt festzuhalten, dass aber grundsätzlich die vom BGH entwickelten Grundsätze zur Haftung des Steuerberaters für die Erstellung eines unzutreffenden Jahresabschlusses auch auf die Haftung eines Wirtschaftsprüfers Anwendung finden.

Unsere auf das Insolvenzrecht spezialisierten Anwälte stehen Ihnen bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen einen beauftragten Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater kompetent zur Verfügung.

 

Rechtsanwalt Manuel Ast