Insolvenzrecht / Familienrecht – OLG Düsseldorf zur Anfechtbarkeit einer Auseinandersetzungsvereinbarung im gesetzlichen Zugewinnausgleichsanspruch

1. Wird der gesetzliche Zugewinnausgleichsanspruch durch eine Auseinandersetzungsvereinbarung konkretisiert, handelt es sich um einen gegebenenfalls nach § 133 Abs. 4 InsO anfechtbaren entgeltlichen Vertrag, wenn die Vereinbarung sich darauf beschränkt, den ohnehin gesetzlich geschuldeten Ausgleichsbetrag festzulegen. Wird in der Auseinandersetzungsvereinbarung hingegen eine den gesetzlichen Ausgleichsanspruch übersteigende Geld- oder sonstige Forderung begründet, kommt – jedenfalls hinsichtlich des Differenzbetrags – zusätzlich eine Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht.

2. Bei einer den Wert der erbrachten bzw. zu erbringenden Gegenleistung übersteigenden Leistung des Schuldners hängt die Frage der teilweisen Unentgeltlichkeit davon ab, ob die Werte in einem groben Missverhältnis zueinander stehen und die Ehegatten den ihnen zustehenden Bewertungsspielraum bei der Auseinandersetzung missbräuchlich überschritten haben. Ob der Bewertungsspielraum überschritten ist, ergibt sich unter objektiven Gesichtspunkten.

3. In einem auf § 134 Abs. 1 InsO gestützten Anfechtungsprozess obliegt dem Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unentgeltlichen Leistung des Schuldners. Sind dabei Umstände aus dem Bereich des Anfechtungsgegners relevant, trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast.

4. Beruft sich der Anfechtungsgegner darauf, beide Teile seien von einem gleichwertigen Leistungsaustausch ausgegangen, muss der Insolvenzverwalter nur die von dem Anfechtungsgegner substantiiert dargelegten Umstände ausräumen, die eine solche Annahme der Vertragsparteien erlauben.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.09.2022 – I.-12 W 12/22.

 

In dem vom OLG Düsseldorf zu entscheidenden Fall, machte die Antragstellerin gegen ihren Ehemann Rückgewähransprüche gemäß § 143 Abs. 1 InsO geltend, da der Ehemann seine Miteigentumsanteile an der streitgegenständlichen Immobilie jedenfalls teilweise unentgeltlich und damit insgesamt nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar auf die Antragsgegnerin übertragen habe.

Dem gab das OLG Düsseldorf statt.

Nach § 143 Abs. 1 InsO muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Rückgewähr bedeutet grundsätzlich, dass der betroffene Gegenstand im vollen Umfang seiner Veräußerung, Weg oder Aufgabe in Natur in die Insolvenzmasse zurückgelangen muss. Die Insolvenzmasse ist in die Lage zu versetzen, in der sie sich befinden würde, wenn das anfechtbare Verhalten unterblieben wäre. Erwirkt ein Bruchteilseigentümer – wie hier – das Eigentum insgesamt in anfechtbarer Weise, richtet sich der Anspruch auf Rückgewähr des neu erworbenen Bruchteils des jetzt in der Hand des Erwerbers vereinigten Grundstücks. Nach Wiederherstellung des Miteigentumsanteils kann der Insolvenzverwalter diesen gemäß allgemeinen Regeln verwerten. Er kann sich aber auch, wie die Antragstellerin, darauf beschränken, im Wege der Anfechtung zugleich die Zustimmung des Anfechtungsgegners zur Teilungsversteigerung des gesamten Grundstücks zu verlangen, um den auf die Insolvenzmasse rechnerisch entfallenden Anteil am Erlös zu erhalten.

Hintergrund ist, dass nach § 134 InsO eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar ist, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. Die Antragstellerin habe in den Augen der Düsseldorfer Richter hinreichend dargetan, dass die Übertragung des hälftigen Miteigentums an der streitgegenständlichen Immobilie durch den Schuldner in dem notariellen Eheauseinandersetzungsvertrag jedenfalls teilweise unentgeltlich erfolgt ist.

Ehevertragliche Vereinbarungen unterliegen, ebenso wie sonstige vertragliche Abreden, grundsätzlich der Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO (vgl. nur BGH, Urteil vom 20.10.1971 – VIII ZR 212/69). Wird der gesetzliche Zugewinnausgleichsanspruch durch eine Auseinandersetzungsvereinbarung konkretisiert, handelt es sich um einen gegebenenfalls nach § 133 Abs. 4 InsO anfechtbaren entgeltlichen Vertrag, wenn diese sich darauf beschränkt, den ohnehin gesetzlich geschuldeten Ausgleichsbetrag festzulegen. Wird in der Auseinandersetzungsvereinbarung hingegen eine den gesetzlichen Ausgleichsanspruch übersteigende Geld- oder sonstige Forderung begründet, kommt jedenfalls hinsichtlich des Differenzbetrages eine Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht. Derartige Verträge sind nach denselben Grundsätzen zu behandeln wie gemischte Zuwendungen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, ist in einem Zwei-Personenverhältnis eine Leistung als unentgeltlich anzusehen, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll. Entgeltlich ist dagegen eine Verfügung, wenn der Schuldner für seine Leistungen etwas erhalten hat, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung war oder jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein sollte. Für die Bewertung ist in erster Linie die objektivere Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners an der Gegenleistung des Empfängers ausschlaggebend (BGH, Urteil vom 02.12.2021 – IX ZR 111/20). Erst wenn feststeht, dass, objektiv betrachtet, der Schuldner überhaupt einen Gegenwert für seine Zuwendung erhalten hat oder ihm eine werthaltige Gegenleistung versprochen worden ist, besteht Anlass zu prüfen, ob die Beteiligten die erbrachte oder versprochene Gegenleistung als Entgelt angesehen haben oder mit der Verfügung des Schuldners Freigiebigkeit, wenn auch nur teilweise, bezweckt war. Die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten sind für die Frage der Entgeltlichkeit zusätzlich von Bedeutung, wenn zu beurteilen ist, ob die Gegenleistung den Wert der Leistung des Schuldners erreicht. Bei dieser Einschätzung steht den Beteiligten ein Bewertungsspielraum zu. Eine teilweise unentgeltliche Leistung unterliegt der Anfechtung insoweit, als deren Wert den der Gegenleistung übersteigt und die Vertragsparteien den ihnen zustehenden Bewertungsspielraum überschritten haben.

Bei einem Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung ist § 134 InsO nicht anwendbar, wenn beide Teile nach den objektiven Umständen der Vertragsanbahnung, der Vorüberlegungen der Parteien und des Vertragsschlusses selbst von einem Austauschgeschäft ausgehen und zudem im guten Glauben von der Werthaltigkeit der dem Schuldner gewährten Gegenleistung überzeugt sind, die sich erst aufgrund einer nachträglichen Prüfung als wertlos erweist. In gleicher Weise ist eine Fehlvorstellung der Beteiligten über den Wert der vom Schuldner zu erbringenden Leistung nur dann erheblich, wenn sie ihre Grundlage in den objektiven Umständen des Vertragsschlusses findet (BGH, Urteil vom 22.10.2020 – IX ZR 208/18).

Das OLG Düsseldorf empfand vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe, dass eine teilweise unentgeltliche Leistung des Schuldners vorliegt. In einem auf § 134 Abs. 1 InsO gestützten Anfechtungsprozess obliegt dem Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unentgeltlichen Leistung des Schuldners und demgemäß auch für Umstände, aus denen sich eine Wertadäquanz ergibt. Beruft sich der Anfechtungsgegner darauf, beide Teile seien von einem gleichwertigen Leistungsaustausch ausgegangen, reicht es nicht aus, dass der Insolvenzverwalter ein Missverhältnis des objektiven Werts von Leistung und Gegenleistung darlegt und beweist. Vielmehr muss dartun und beweisen, dass keine objektiven Umstände vorgelegen haben, die eine solche Annahme der Vertragsparteien erlaubten. Bei den behaupteten objektiven Umständen handelt es sich um negative Tatsachen. Dem Insolvenzverwalter kommen daher Erleichterungen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast zugute. Er muss, um seiner Darlegungs- und Beweislast zu genügen, nicht alle theoretisch denkbaren Umstände ausräumen, welche einen guten Glauben an die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung begründen könnten. Es reicht vielmehr aus, die von dem Anfechtungsgegner substantiiert dargelegten Umständen auszuräumen. Gelingt dies, ist der Beweis der negativen Tatsache erbracht.

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Rechtsanwalt Manuel Ast